Gesichter der Demokratiebildung

„WIR MÜSSEN DEMOKRATIE VORLEBEN“

LOS GEHT’S

Gesichter der Demokratiebildung

„WIR MÜSSEN DEMOKRATIE VORLEBEN“

Der Krieg in der Ukraine, Verschwörungstheorien rund um Corona, populistische Strömungen im In- und Ausland: Die Demokratie wird im Moment von vielen Seiten angezweifelt. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung unterstützt mit dem Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Jugendalter“ Akteur:innen, die dafür sorgen, dass junge Menschen unser politisches System von klein auf zu schätzen lernen und mitgestalten. Hier stellen fünf dieser Vorbilder ihre sehr unterschiedlichen Ansätze vor und erzählen, was sie antreibt.

Johanna Glowacki
Ronny Keil
Andreas Dose
Dejan Mahajlovic
Sabine Knabe
Der Krieg in der Ukraine, Verschwörungstheorien rund um Corona, populistische Strömungen im In- und Ausland: Die Demokratie wird im Moment von vielen Seiten angezweifelt. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung unterstützt mit dem Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Jugendalter“ Akteur:innen, die dafür sorgen, dass junge Menschen unser politisches System von klein auf zu schätzen lernen und mitgestalten. Hier stellen fünf von ihnen ihre sehr unterschiedlichen Ansätze vor und erzählen, was sie antreibt.

Johanna Glowacki
Ronny Keil
Andreas Dose
Dejan Mahajlovic
Sabine Knabe
Wie stärkt JOHANNA GLOWACKI die Demokratie?
Um in der Demokratiebildung tätig zu sein, braucht es kein abgeschlossenes Hochschulstudium. Wichtig ist nur, dass man für die Sache brennt und begeisterungsfähig ist.

Bestes Beispiel ist Johanna Glowacki, Schülerin am Anne-Frank-Gymnasium in Werne. Die 15-Jährige macht sich in besonderem Maße für unser politisches System stark. Sie veröffentlicht in einem Online-Magazin regelmäßig Artikel zu den Themen Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz. Und am Europatag zog sie nicht nur durch die Straßen, um für unsere Freiheit einzustehen. Sie gab obendrein einen Workshop, um ihre Mitschüler:innen für die Demokratie zu sensibilisieren.


Wir müssen Demokratie vorleben


Zeitgemäße Demokratiebildung braucht Kooperation!

Wie stärkt RONNY KEIL die Demokratie?
Es ist ohne Frage wichtig, dass jungen Menschen im Schulunterricht vermittelt wird, wie unser politisches System funktioniert. Doch zu aktiven Mitgestalter:innen macht sie das Auswendiglernen noch lange nicht.

Der Schulsozialarbeiter Ronny Keil lädt in Moritzburg regelmäßig in einen Jugendtreff ein, um mit Schüler:innen in ihrer Freizeit Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Sie machen junge Menschen ganz praktisch vertraut mit demokratischen Entscheidungsprozessen.

SEINE GESCHICHTE

„Die Schule nimmt heute viel Raum ein und ist oft mit großem Leistungsdruck von außen verbunden. Ich sehe es als eine meiner wichtigsten Aufgaben an, den Schüler:innen Wege aufzuzeigen, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Eine Demokratie lebt nun mal von neuen Impulsen. Es geht nicht nur darum, Dinge abzuarbeiten. Ich hoffe, dass die Schüler:innen erkennen, wie viele Möglichkeiten ihnen unser Gemeinwesen bietet und dass es an ihnen liegt, es aktiv mitzugestalten. Dafür muss man nicht gleich das große Rad drehen. Mein Ansatz ist es, ihnen über den Schulalltag hinaus einen Raum anzubieten, in dem sie sich austauschen und einfach mal loslegen können. Ohne Druck, aus sich heraus.“

„Ich habe deshalb eine Kooperation zwischen der Kurfürst-Moritz-Oberschule und einem etwa 150 Meter entfernten Jugendclub aufgebaut. Alle zwei Wochen, immer dienstags ab 15.30 Uhr, lade ich die Schüler:innen hierher zu einer offenen Runde ein. In einem Setting, das ihren Freizeit-Interessen nahekommt. Wir zocken Fußball auf der Konsole, leihen uns eine VR-Brille aus oder kochen zusammen. Mein Anliegen ist es, sie in einer entspannten Atmosphäre in einen Austausch zu bringen.

Ich versuche, für die Jugendlichen jemand sein, mit dem sie auf Augenhöhe reden können. Ein Ansprechpartner, der anders ist als ihre Lehrkräfte oder ihre Eltern. Wir unterhalten uns über verschiedenste Themen. Egal, ob es um Liebesfragen, TikTok-Trends oder die letzten Wahlergebnisse in Sachsen geht – mich interessiert, was sie wirklich denken.“

„Wichtig ist, dass sie lernen, eine Meinung zu vertreten und sich mit anderen Standpunkten auseinanderzusetzen. Außerdem erfahre ich, was sie gerade beschäftigt und kann sie animieren, doch mal dieses oder jenes auszuprobieren.

Ein Projekt, das aus der offenen Runde hervorgegangen ist, ist unsere Graffiti-Aktion. Nachdem deutlich geworden war, dass diese Kunstform viele der Jugendlichen fasziniert, gestalteten wir gemeinsam mit einem Graffitikünstler eine Wand an der Schule und filmten das Ganze. Die jungen Menschen entwickelten eine Vision und setzten sie in gemeinsamen Abstimmungsprozessen um! Allen Hürden zum Trotz! Sie konnten sich auf ein Motiv verständigen und den Direktor überzeugen, eine Wand dafür freizugeben. Demokratie pur.“

„Die Graffiti-Aktion hat mir gezeigt, wie sehr sich mein Einsatz lohnt. Als ich 14 oder 15 war, verbachte ich selbst viel Zeit in einem Jugendclub. Ich spielte Gitarre in einer Band und es gab dort einen Proberaum, den wir für sehr wenig Geld mieten konnten. Ein Ort, an dem wir so sein konnten, wie wir waren, solange wir uns an gewisse Umgangsformen hielten. Eine Zeit, die mich sehr geprägt hat. Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, mich heute in die Jugendlichen hineinzuversetzen und sie aufrichtig wertzuschätzen.

Wenn ich sehe, dass sie mein Angebot annehmen und Erfahrungen machen, an denen sie wachsen, bestätigt mich das in meiner Arbeit.“

Wie stärkt ANDREAS DOSE die Demokratie?
Der Wert unserer Demokratie lässt sich erst begreifen, wenn man sich damit auseinandersetzt, was davor war. Mit der Nazi-Diktatur und ihren Gräueltaten.

Dieser Überzeugung ist der Pädagoge Andreas Dose, der für die Stiftung Bildung und Handwerk in Halle Schulabbrecher:innen unterstützt. Er bringt mit dem Projekt „Tagebuch der Gefühle“ Jugendliche ganz unterschiedlicher Bildungsniveaus in ihrer Freizeit zusammen. Und das in Kooperation mit mehreren schulischen und außerschulischen Institutionen, die jeweils ganz unterschiedliche methodische Zugänge und Kompetenzen in das Projekt einbringen. Ziel des Projektes ist es, durch solidarisches und gemeinsames Lernen über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuklären. Die teilnehmenden Jugendlichen besuchen zusammen NS-Gedenkstätten, durchwühlen Archive, sprechen mit Zeitzeug:innen und halten fest, was sie dabei denken und fühlen. Die Bücher, Filme und Comics, die dabei entstehen, präsentiert die Gruppe regelmäßig vor Schulklassen. Ein Engagement, das eine erhöhte Aufmerksamkeit erfährt, seit am 9. Oktober 2019 ein Rechtsextremist versuchte, ein Attentat auf eine Synagoge zu verüben und zwei Menschen tötete. Begonnen hat das Projekt schon deutlich früher.

SEINE GESCHICHTE
Andreas Dose erzählt, wie alles anfing, wie sich das Projekt weiterentwickelt hat und welche Rolle die besondere Zusammensetzung der Projektgruppe spielt.

Wie ist das Projekt „Tagebuch der Gefühle“ entstanden?

Wie hat es sich weiterentwickelt?

Wer gestaltet es heute alles mit?

Was gute Demokratiebildung ausmacht, wie man junge Menschen für dieses Thema begeistert und warum es hilfreich ist, für die Vermittlung schulische und außerschulische Organisationen zu vernetzen.

Was macht für Andreas Dose gute Demokratiebildung aus?

Wie begeistert man Jugendliche für unser politisches System?

Warum lohnt es sich, dass schulische und außerschulische Institutionen kooperieren?

Was Andreas Dose motiviert, was er durch das Projekt gelernt und welche Fragestellung das Attentat in Halle am 9. Oktober 2019 bei den Jugendlichen ausgelöst hat.

Was hat Andreas Dose durch das Projekt gelernt?

Was motiviert ihn, sich weiter in der Demokratiebildung zu engagieren?

Wie stärkt DEJAN MIHAJLOVIć die Demokratie?
Nur wenn junge Menschen von Anfang an in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden, entwickeln sie ein gesundes Demokratieverständnis – davon ist Dejan Mihajlović überzeugt.

Er ist hauptsächlich Referent für Demokratiebildung und Digitale Transformation beim Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg und unterrichtet noch mit wenigen Stunden als Lehrer an der Pestalozzi Realschule in Freiburg. Er gibt Workshops und hält Vorträge. Was bei seinem Einsatz stets an erster Stelle steht, ist das Ziel, den Schulalltag weniger hierarchisch zu gestalten.

Zu einer verbesserten Schülermitverantwortung (SMV) soll unter anderem die digitale Beteiligungs-Plattform aula führen, mit der er Lehrer:innen und Schüler:innen gerade vertraut macht.


Wir müssen Demokratie vorleben


Wir müssen Demokratie vorleben

Wie stärkt SABINE KNABE die Demokratie?
Junge Menschen können in Deutschland frühestens ab 16 Jahren an Wahlen teilnehmen? Nicht ganz.

Bei den Wahlen der Klassensprecher:innen lernen sie schon viel früher, was es bedeutet, ihre Stimme abzugeben und welche Verantwortung damit einhergeht. Die Schulsozialarbeiterin Sabine Knabe unterstützt Schüler:innen an einem Dessauer Gymnasium bei ihren ersten Schritten in einem repräsentativen Demokratiesystem. Sie hofft, ihnen wichtige Werte mit auf den Weg zu geben.

IHRE GESCHICHTE

„Als ich 2018 am Philantropium anfing, wurde mir von der Schulleitung die Aufgabe übertragen, den Schüler:innen-Rat zu betreuen und die Schulsprecher:innen-Wahl zu organisieren. Zusätzlich zu den gewöhnlichen Aufgaben einer Schulsozialarbeiterin. Mir wurde mitgeteilt, wann die erste Versammlung stattfindet und dann hieß es ganz einfach: Machen Sie mal, Sie kriegen das schon hin. Im Nachhinein ein großer Glücksfall! Ich bin Stück für Stück in meine Rolle als Unterstützerin hineingewachsen. Es bringt mir heute unheimlich viel Spaß, mich alle zwei Monate mit den Sprecher:innen der rund 35 Klassen unserer Schule auszutauschen und zu erfahren, welche Themen sie beschäftigen.“

„Ein Teil meiner Aufgabe ist es, die Treffen zu organisieren, also den Termin und den Ablauf festzulegen. Darüber hinaus mache ich gewissermaßen demokratische Basisarbeit. Schüler:innen, die zum ersten Mal gewählt worden sind, erkläre ich zunächst einmal, was ihre Rechte und Aufgaben sind. Dass sie ansprechbar sein müssen für ihre Klasse und sie bestmöglich in den Sitzungen vertreten sollten.

Ich sehe meine Aufgabe darin, die Jugendlichen zu ermutigen, das Schulleben aktiv mitzugestalten und zu verbessern. Sie sollen lernen, Dinge, mit denen sie unzufrieden sind, nicht einfach hinzunehmen oder zu meckern.

Es geht um konstruktives Denken. Ich möchte ihnen das Gefühl vermitteln, Teil eines Miteinanders zu sein, in dem es auch auf sie ankommt. Ich unterstütze sie, Ideen zu entwickeln und umzusetzen, die ihren Schulalltag angenehmer machen. Eine Fähigkeit, die hoffentlich dazu führt, dass sie im größeren Maßstab dazu beitragen, unsere Gesellschaft zu stärken.“

„Im vergangenen Jahr haben die Klassensprecher:innen zusammen eine Menge toller Projekte auf die Beine gestellt. Sie setzten zum Beispiel durch, dass zwei Mal die Woche in der Frühstückspause eine Playlist abgespielt wird, die aus Musikwünschen von Schüler:innen besteht. Sie entwickelten Pläne, wie der Schulhof lebensfreundlicher gestaltet werden kann. Und sie trugen entscheidend dazu bei, dass unsere Schule im Juni beim Pride Month mitmachte: Um ein Zeichen für sexuelle Vielfalt zu setzen, hissten wir eine Regenbogenfahne. Und um aufzuklären und eventuell auch bei einem Coming-Out zu unterstützen, organisierten wir einen Workshop und statteten unsere Schulbibliothek mit Fachbüchern aus.“

„Natürlich klappt nicht immer alles. Es kommt immer wieder vor, dass Vorhaben scheitern oder gar nicht zustande kommen. So etwas frustriert mich gelegentlich. So lange die Schüler:innen beim nächsten Projekt trotzdem wieder dabei sind, kann ich jedoch letztlich sehr gut damit umgehen. Denn es zeigt, dass sie etwas verinnerlicht haben, was in einer Demokratie essentiell ist: Dass das persönliche Scheitern dazu gehört. Es gelingt nun mal nicht immer, die eigenen Ziele umzusetzen, sei es wegen fehlender Mehrheiten oder bürokratischer Hürden. Wenn die Jugendlichen diese Grenzen akzeptieren und sich weiter engagieren, ist viel erreicht.“

Das bundesweite Kompetenznetzwerk „Demokratiebildung im Jugendalter“ bündelt Kompetenzen, um demokratische Kultur und Strukturen sowie partizipative Ansätze in der schulischen und außerschulischen Bildung im Jugendalter zu stärken. Das Kompetenznetzwerk unterstützt Schulen, Akteur:innen der Kinder- und Jugendhilfe und Kommunen mithilfe von Veranstaltungen, Publikationen, Beratungs- und Qualifizierungsangeboten bei der Umsetzung von Demokratiebildung im Alltag.

Im Kompetenznetzwerk entwickelt die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gemeinsam mit Jugendlichen, der schulischen und außerschulischen Praxis, Vertreter:innen aus Politik und Wissenschaft Qualitätskriterien für kooperative Demokratiebildung im Jugendalter. Die Ergebnisse werden praxisorientiert aufbereitet und in die bundesweite schulische und außerschulische Demokratiebildung und deren Regelstrukturen transferiert. Weitere Infos gibt es hier.